
Rechtsstaatliche Aufarbeitung der NS-Verbrechen darf nicht abgeschlossen werden!
Heute hat das Landgericht Neuruppin in Brandenburg an der Havel im Strafprozess gegen einen früheren SS-Wachmann im Konzentrationslager Sachsenhausen sein Urteil verkündet. Der Vorsitzenden Richter Udo Lechtermann kam zu der Überzeugung, dass der 101-jährige Angeklagte drei Jahre im KZ als SS-Wachmann „die Massenvernichtung bereitwillig unterstützt“ hat. Der Angeklagt wurde für die Beihilfe zum Mord an über 3500 Häftlingen zu fünf Jahren Haft verurteilt. Im KZ Sachsenhausen waren auch über 1.000 Sinti und Roma inhaftiert. Eine Sintezza trat im Strafprozess als Angehörige eines Opfers des Konzentrationslagers Sachsenhausen als Nebenklägerin auf.
Romeo Franz, Mitglied des Europäischen Parlaments für Bündnis 90/Die Grünen, deutscher Sinto und selber Angehöriger von Opfern des Holocaust, kommentiert wie folgt:
„Dieses Verfahren ist ein weiterer wichtiger Schritt in der rechtsstaatlichen Aufarbeitung der NS-Verbrechen in unserem Land. Es ist gegenüber allen Opfern der NS-Verfolgung ein wichtiges Signal, dass die Bundesrepublik mit diesem Kapitel nicht abgeschlossen hat, sondern aktiv die Aufarbeitung der Verbrechen aus der NS-Zeit verfolgt. Über Jahrzehnte wurden in Deutschland trotz erdrückender Beweislage Strafverfahren gegen Täter des NS-Regimes nicht konsequent vor Gericht angegangen. Es ist für die Überlebenden und Angehörigen der Opfer von großer Bedeutung, dass im Rahmen der Prozesse gegen Menschen, die am NS-Holocaust in verschiedenen Positionen mitgewirkt haben, das staatlichen Unrecht in aller Öffentlichkeit klar benannt und verurteilt wird. Gerade Sinti und Roma leiden bis heute unter der jahrzehntelangen Leugnung ihrer Verfolgung durch das Nazi-Regime und der fortwährenden Ausgrenzung und Diskriminierung in der Bundesrepublik. Ich bin dem Landgericht Neuruppin dankbar für seine Arbeit und sorgfältige Aufarbeitung der Geschichte. Im Zentrum steht nicht die Haftstrafe für einen alten Mann, sondern die rechtliche Aufarbeitung und Verurteilung der Verbrechen und eine Anerkennung des Leids, welches den Opfern zugefügt wurde. Ich bedauere, dass der Verurteilte bis zuletzt sich nicht zu seiner Schuld bekannt hat.“
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