Frankreich ruft EU auf den Plan – Polizeigewalt gehört auf die Plenumsagenda

Ende Juni wurde in Frankreich ein junger Algerier durch einen Polizisten ermordet, wodurch gewaltsame Proteste im Land ausgelöst wurden. Als Organ des Staates ist die vornehmliche Aufgabe der Polizei Gewalt abzuwenden und Menschen zu schützen. Zunehmend werden Fälle gewaltvoller Übergriffe der Polizei bekannt, die rassistisch motiviert sind. Nicht nur in Frankreich, sondern in ganz Europa nehmen derartige Vorfälle zu, was die EU zum Handeln treibt.

Die Europäische Antirassismus-Richtlinie

Die EU hat bereits eine Antirassismus-Richtlinie erarbeitet, die auf nationaler Ebene implementiert werden sollte. Ziel der Richtlinie war die Rahmenschaffung zur Bekämpfung von Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft.

Allerdings waren die Mindestanforderungen dieser Richtlinie relativ schwach, da es den Mitgliedstaaten vorbehalten war, Vorschriften einzuführen oder beizubehalten.

Rassistisch motivierte Polizeigewalt und gewaltsame Vorfälle gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund wächst.

In Frankreich empfinden Schwarze und POC gezielte Belästigung und Demütigung durch die Polizei. 31 % der Bevölkerung mit nordafrikanischer Herkunft und 29% mit südlicher Sahara-Herkunft gaben an von racial profiling betroffen zu sein (im Vergleich: nur 17% der Gesamtbevölkerung).

Die europäische Dimension

In Dänemark ist die gegenstandlose Anklage bei Einwanderern um 45 % und bei ihren Nachkommen um 64 % höher als bei der Gesamtbevölkerung.

In den Niederlanden zeigt der Immobilienmarkt, dass Profile mit einem marokkanisch klingenden männlichen Namen 23 % geringere Chance haben eingeladen zu werden als Profile mit niederländischem Klang.

In Österreich legte die Polizei Daten zu Hassverbrechen vor; von 6.619 registrierten Straftaten gehören 35 % zur Voreingenommenheit gegenüber der Nationalität, ethnischer Zugehörigkeit oder Religion.

In Deutschland hatten von den insgesamt 5.617 eingereichten Beschwerden bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes 37 % einen rassistischen oder diskriminierenden Bezug.

In Italien wurden 1.379 Fälle von Diskriminierung gemeldet, bei 51 % handelt es sich um rassistische Gründe und ethnische Diskriminierung.

Die EU-Fraktionen von Greens, Left und S&D möchten die Polizeigewalt bereits seit März auf die Parlamentarische Agenda bringen, allerdings wird dies, auf Grund der anstehenden Wahlen, von Frankreich blockiert. Diese Fakten und Zahlen, sowie die jüngsten Geschehnisse in Frankreich, zeigen allerdings die Dringlichkeit einer europäischen Debatte mit dem Ziel rassistisch motivierte Gewalt strafrechtlich verfolgen zu können.

Zusätzlich wird die Etablierung einer unabhängigen Kontrolle zur Aufklärung über polizeiliche Maßnahmen erforderlich.

Vergangene Maßnahmen

Seit George Floyd hat sich viel in der Antidiskriminierungsarbeit getan. Der EU-Action Plan über Menschenrechte und Demokratie ist ein Resultat aus der Black-lives-matter Bewegung. Allerdings gelang keine hinlängliche Übertragung der Antirassismusarbeit auf alle Minderheiten. Die politische Resignation und das verebbte Momentum in Frankreich sind Merkmale für das geringe Bewusstsein für schlechter gestellte Minderheiten.

Einzuleitende Schritte

Als nächsten Schritt wird ein offener Brief an Emmanuel Macron, Präsident von Frankreich, und Ursula von der Leyen, Präsidentin der EU-Kommission gesendet, der die Vorkommnisse in Frankeich scharf verurteilt.

Es soll der Druck auf politischer Ebene erhöht werden, um die Implementierung der Antidiskriminierungsrichtlinie auf nationaler Ebene anzutreiben.

Als langfristiges Ziel soll die EU Studien in Auftrag geben, um die allgemeine Datenlage über rassistisch motivierte Polizeigewalt oder Diskriminierungsfälle zu verbessern. Außerdem soll die wissenschaftliche Untermauerung rassistischer Gewaltvorfälle zukünftige Gesetzesinitiativen faktisch stärken. 

Quellen:

https://commission.europa.eu/system/files/2022-

11/possible_gaps_in_the_legal_protection_against_discrimination_on_grounds_of_racial

_or_ethnic_origin.pdf

https://fra.europa.eu/sites/default/files/fra_uploads/fra-2023-fundamental-rightsreport-2023_en_1.pdf

https://www.hrw.org/report/2020/06/18/theytalkusweredogs/abusivepolicestopsfrance https://fra.europa.eu/en/news/2023/stopdiscriminationandethnicprofilingeurope

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